Festakt „1255 Jahre Sinsheim“
Zum Jubiläum wurde in der Dr.-Sieber-Halle mit viel Liebe zum Detail ein Theaterstück aufgeführt
Fünf Jahre nach dem 1250. Geburtstag, das die Stadt Sinsheim pandemiebedingt im Jahr 2020 nicht feiern konnte, waren am 10. Mai knapp 800 Besucher zum Festakt in die Dr.-Sieber-Halle eingeladen worden – 1255 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung Sinsheims im Lorscher Codex.
Oberbürgermeister Marco Siesing begrüßte die Gäste zum Festakt und stellte fest: „Es ist kein runder Geburtstag. Dafür aber ein umso spannender. Wir lassen uns nicht unterkriegen, sondern feiern einfach später“.
Dabei wurde dem Heimatverein Kraichgau, zu dessen Gründern die Stadt Sinsheim und der Namensgeber der Halle, Dr. Horst Sieber, gehören, eine große Ehre zuteil. Nicht nur, dass Susanne Kaiser-Asoronye und ihrem Ehemann Uwe Kaiser Plätze unter den Ehrengästen in der dritten Reihe reserviert wurden, sondern der Heimatverein und die Vorsitzende wurden bei der Begrüßung namentlich erwähnt „in Vertretung aller Sinsheimer Vereine und vor allem der Geschichts- und Heimatvereine der Umgebung.“
Frank Werner, Bürgermeister von Angelbachtal, sprach als Erster stellvertretender Vorsitzender des Kreistags ein Grußwort und Glückwünsche. Mit dem Verweis, dass die Gebrüder Grimm sich einer Sinsheimer Vorlage bedient hätten, wünschte er der Stadt eine „märchenhafte Zukunft“. Das Orchester der Städtischen Musikschule Sinsheim, das schon zum Auftakt die Ouvertüre zur „Der Barbier von Sevilla“ von Gioacchino Rossini gespielt hatte, leitete mit ihrer musikalischen Darbietung „The Raiders March“ aus Indiana Jones von John Williams zum Schauspiel über.
Mehr als ein heiteres Landstädtchen – Eine Zeitreise in Sinsheim
So lautete der Titel des Schauspiels, angelehnt an den überlieferten Ausspruchs des Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe bei einem Besuch im Jahr 1797. „Willkommen, meine Damen und Herren! Schön, dass Sie heute hier sind! Packen Sie Ihre Neugier und ein wenig Fantasie ein, denn wir benutzen heute den Zug, den Streifzug durch Raum und Zeit – ganz ohne Reisepass und nervigen Sicherheitscheck. Ich bin Ihre Reiseleiterin und begleite sie auf diesem historischen Trip zurück in die Vergangenheit,“ so startete die Erzählerin Uschi Barth das Jubiläumsschauspiel. „Was sind schon fünf Jahre Verspätung in der Historie? Ein Wimpernschlag. Doch kaum der Rede wert.“
„Ein Tag vor meinem 48. Geburtstag! Tatsächlich. Ich war schon einmal hier: Sinsheim. In den Drei Königen eingekehrt; hat das Ansehen eines nach der Landsart heitern Landstädtchens [...]. Das ist das Gasthaus von Christoph Ludwig Ziegler! Ich erinnere mich.“ Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe (gespielt von Michael Huber) fiel der Reiseleiterin in das Wort. „Ich bemerkte eine Anstalt, die ich in dem sehr reinlichen Neckargemünd auch schon, doch in einem sehr viel geringern Grade gesehen hatte: dass Mist und Gassenkot mehr oder weniger an die Häuser angedrückt war. Der Hauptweg in der Mitte, die Gossen an beiden Seiten und die Pflasterwege vor den Häusern bleiben dadurch ziemlich rein. [...] [W]enn [der Bürger] den Unrat sich häufen lässt, so muss er ihn unter seinen Fenstern dulden; das Publikum aber ist auf der Straße wenig oder nicht inkommodiert. Sauberhaftes Sinsheim!“
Zusammen führten die beiden das aufmerksam folgende Publikum in vielen szenischen Bildern durch 1255 Jahre bewegte Stadtgeschichte.
Mit den Anfängen Sinsheims, die Besiedelung durch Kelten vom Stamm der Helvetier begann die Zeitreise, begleitet von keltischer Musik. „Sie haben zu ihrem Schutz dort eine Fliehburg in der Nähe von Dühren errichtet.“ Doch auch die Römer, der die nächste Station gewidmet waren, befanden sich in der Gegend um Sinsheim und Steinsfurt, was u. a. die Jupitersäule aus dem Jahr 90 nach Christus beweist.
Anschaulich war die erste Erwähnung des historischen Sinsheims dargestellt, als „Hagino aus dem Elsenzgau“ im damals drei Tagesreisen entfernten Kloster Lorsch vorsprach, um die Schenkung eines Grundstückes vorzunehmen. „In Christi Namen, im dritten Jahr [...] des Königs Karl, mache ich, Hagino eine Vergabung an den Hl. Nazarius. Sein Leib ruht im Lorscher Kloster, dessen Aufseher der ehrwürdige Abt Gundeland ist. Ich schenke in der oben genannten Gemarkung [namentlich Sunnensheim] eine Hofreite mit darauf stehendem Haus und fünf Morgen Land,“ diktierte er dem Mönchsschreiber.
Stift Sunnisheim und Johannes, Bischof von Speyer, der das bereits bestehende Stift seiner Vorfahren auf dem Michaelsberg in ein Benediktinerkloster umwandeln ließ, war ein weiteres Kapitel gewidmet. Ebenso die mehrfache Verpfändung der Stadt zwischen 1192 und 1362, wo Sinsheim kurpfälzisch wurde.
Der Bauernaufstand, der sich zum 500. Mal jährt, wurde durch einen Mob wütender Bauern dargestellt. Trauer machte sich breit beim Blick auf 1689, in dem französische Truppen die Stadt im Flammeninferno fast vollständig zerstörten.
Auch die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und die Zeit dreißig Jahre später, als Sinsheim zum Schauplatz einer Schlacht zwischen französischen und kaiserlichen Truppen wurde, erlebten die Zuschauer mit, ebenso die Revolution 1848, als einige Republikaner Friedrich Hecker in seiner Mission unterstützten, Baden in die Hände des Volkes zu legen und mit dem Apotheker Gustav Mayer ‘gen Heidelberg zogen.
In die Moderne ging es mit Carl Baer, der 1904 eines der ersten
Automobile in Sinsheim hatte und die zuvor erfolgte Installation der Stromversorgung in der Stadt. Auch der Anschluss an das Badische Eisenbahnnetz und der erste Fohlenmarkt waren Thema. Mit dem Bau der Gartenstadt gegen die Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende des Zweiten Weltkriegs als letzte Station endete die bewegende und kurzweilige Zeitreise in Sinsheims Geschichte. „Ja, liebe Mitreisende, für Sie heißt es jetzt:
Alles aussteigen und guten Nachhauseweg! Auf Wiedersehen!“
Oberbürgermeister Marco Siesing dankte allen Mitwirkenden des Jubiläumsschauspiels sehr herzlich für ihr großes ehrenamtliches Engagement. Stellvertretend für die mehr als 30 vor und hinter den Kulissen Mitwirkenden nahmen Leiterin Uschi Barth und Darsteller Michael Huber die Glückwünsche und Präsente entgegen. Nicht zuletzt wurde Dr. Marco Neumaier auf die Bühne geholt. Keiner ist so nah an der Quelle der Sinsheimer Geschichte wie der Stadtarchivar, der überdies auch ein persönliches Mitglied des Heimatvereins Kraichgau ist. Das Bühnenstück und die szenische Collage stammten aus seiner Feder, bearbeitet von Uschi Barth.
Für die Verwaltungsgemeinschaft Sinsheim, Angelbachtal und Zuzenhausen überreichten die Bürgermeister Frank Werner (Angelbachtal) und Hagen Zuber (Zuzenhausen) Präsente zum Jubiläum. Nach dem offiziellen Teil lud die Stadt zu kulinarischen Leckereien ein.
Auch der Heimatverein Kraichgau gratuliert – der Stadt Sinsheim mit OB Marco Siesing zum Jubiläum und Dr. Marco Neumaier mit Uschi Barth sowie allen Beteiligten für einen gelungenen Streifzug durch die Sinsheimer Geschichte, der es unbedingt verdient hat, nochmals aufgeführt zu werden. SKA