Headerbild: Umschlag einer Urkunde von 1706 über den „Vom Herrn von Saint-André vorgenommenen Ziegelhüttenbau auf der gemeinschaftlichen Allmend bei den Höfen zu Trais (Königsbach)“ GLA 229 Nr. 55159. Foto des betreffenden Hofgutes (rechts): Uwe Kaiser
Veranstaltungen | Exkursionen
20. April 2023 (Donnerstag) | Vortrag: Der Kraichgau – eine besondere Landschaft
Der Bürgersaal des Stadtmuseum Sinsheims war bis auf den letzten Platz belegt, an diesem Donnerstag. Zahlreiche Teilnehmer wollten den Vortrag von Franz Kowarsch aus Sulzfeld hören, zu dem der Heimatverein Kraichgau in Kooperation mit den Freunden Sinsheimer Geschichte e.V. und das Stadtmuseum geladen hatte. Nach einer kurzen Begrüßung durch die Museumsleiterin Dinah Rottschäfer und den ersten Vorsitzenden der Freunde Sinsheimer Geschichte, Jens Töniges, begann der Bildervortrag. Franz Kowarsch, langjähriges Vereinsmitglied des Heimatvereins Kraichgau erläuterte, mit den passenden Fotos versehen, die geologischen, historischen, gesellschaftlichen und klimatischen Besonderheiten des „Lands der tausend Hügel“.
Er beschrieb in seiner kurzweiligen, humorvollen Art das fruchtbare Bauernland, zeigte die frühe Siedlungsgeschichte und die Veränderungen durch den Menschen auf. Wie umkämpft das Gebiet war, belegte er am Beispiel des Bauernkrieges und des Dreißigjährigen Krieges, bei dem Bretten, Heidelberg und die offenen Dörfer in Schutt und Asche gelegt wurden. Kowarsch ging auf die hier ansässigen Juden, Mennoniten und Waldenser ein, ebenso auf die Auswanderungswellen ab dem 18. Jahrhundert.
Kenntnisreich brachte Franz Kowarsch den Zuhörern mit vielen Anekdoten und Bildern den Kraichgau näher – einen Landstrich, in dem es sich zu leben lohnt. Belohnt wurde der exzellent gehaltene Vortrag durch den lang anhaltenden Applaus der Teilnehmer. Als Erinnerung und Dank bekam Franz Kowarsch vom Vorsitzenden Alfred Götz unsere „Heimatverein-Kraichgau-Tasse“ und ein Buch überreicht.
Foto: Gabelung Hohlwege im Kraichgau bei Unteröwisheim, Lividus, Nov. 2014, CC BY-SA 4.0
7. Mai 2023 (Sonntag) | Rundgang durch das mittelalterliche Trais
23. September 2023 | Besichtigung einer Anlage zur Herstellung von Biokohle für „Terra Preta“
Unter dem Motto: „Schwarzes Gold. Eine uralte Technik revolutioniert Klima- und Umweltschutz“ lud unser Beiratsmitglied Reiner Dick nach Stutensee auf den Lindenhof ein. Die Besichtigung einer Anlage zur Herstellung und Nutzung von Biokohle für die Gewinnung von fruchtbaren Böden (Terra Preta) war für die Teilnehmer von großem Interesse. Diese „Schwarze Erde“ begeistert sowohl Profis als auch Hobbygärtner.
Zuerst begrüßte uns Rainer Dick auf dem Lindenhof, dessen Namen von den drei Linden an der Zufahrt stammt. Er erzählte, dass die „Humu Stutensee“, wie sie sich nennen, ein loser Zusammenschluß von Leuten ist, die sich Gedanken um die Umwelt und die Lebensbedingungen machen. Und die von der Materie der Biokohle und von Terra Preta überzeugt sind.
Danach stellte Betriebsleiter Uwe Lengert (der laut Dick die besten Kartoffeln der Gegend anbaut) den Lindenhof vor, der 1964 gebaut wurde. Auf den ca. 290 ha Ackerland werden schwerpunktmäßig Kartoffel angebaut, teils für die Chipsindustrie, teils für Raiffeisenmärkte. Der Hof verfügt über 1000 Tonnen Kartoffellager-Kapazität. Ferner werden Birnen, Zuckerrüben, Mais, Raps und Getreide angebaut und ca. 10 Kulturen Gemüse im Wechsel. Die unterschiedlichen Böden reichen von Sandboden bis zu tonhaltigen Boden. An die „Terra-Preta-Geschichte“ kam Lengert über Reiner Dick. Ihn interessiert vor allem die Wasserspeicherfähigkeit der Böden, die mit TP angereichert sind. Auf einem extra ausgewiesenen Gelände laufen Versuche zum Sparen von Beregnung, was bei heutigen Klimaverhältnissen sehr bedeutend ist. Die Erwartung ist, durch TP Wasser zu sparen und dazu einen natürlichen Dünger zu erhalten.
Anschließend referierte Klaus Kaiser von der Historie der Terra Preta, von den Eroberungen von Pizarro im 15./16. Jahrhundert, bei dessen Eroberungen einer der Mannschaft alles dokumentiert hatte. Damit ist klar, dass die Indios schon vor 4.000 Jahren nach dieser Technik gearbeitet haben. Und nur weil der Reisebericht bis heute erhalten ist, kann heute Terra Preta hergestellt werden. Über Jahrhunderte war das Wissen vergraben ... bis man vor 50 oder 60 Jahren die Terra Preta wiederentdeckte und archäologisch untersuchen konnte.
Der Name „Schwarze Erde“ kommt aus dem Portugiesischen und bedeutet gebrannte Erde. Die dunkle Farbe kommt von der Pflanzenkohle, die sich in der Erde befindet und diese schwarz erscheinen lässt. Doch wer nun denkt, er kann einfach Grillkohle kaufen und dies in den Garten einbringen, der irrt. Grill-Holzkohle ist für den Garten nicht geeignet, weil diese zu sehr schadstoffbelastet ist. Der Grund dafür ist, dass die Herstellungstemperatur der Grill-Holzkohle zu niedrig ist, um alle Schadstoffe eliminieren zu können. Anders sieht es beim Betrieb der Retorte auf dem Lindenhof oder bei baugleichen Anlagen aus: Die dort entstehenden Temperaturen überführen alles, ausser dem Kohlenstoff, in die gasförmige Phase, die dann als Pyrolysegas den Prozess „befeuert“.
Während der Erläuterungen war die Experimentier-Anlage schon in voller Arbeit und es wurden rund 1,5 Ster Holz unter Vakuum in der Brennkammer verkohlt. Die Temperatur unter dem Deckel erreicht schon mal 800 - 900 Grad. Daher ist die Anlage aus Spezialstahl, das diese Temperaturen und vor allem die Temperatursprünge des Aufheizens und Erkaltens aushält. Und wie das so ist, beim Vorführ-Effekt, hielten die Dichtungen, die regelmäßig ausgetauscht werden, nicht stand und es entwich Rauch nach oben. „Normal ist das nicht so“ erklärte Reiner Dick, „ich dachte heute morgen, die Dichtungen seien noch ok ... ihr müsst euch den Rauch wegdenken.“ In der relativ kleinen Eperimentier-Anlage auf dem Lindenhof entweicht die Energie des Verbrennens nach oben weg. „In großen Anlagen wird diese abgeleitet und selbstverständlich genutzt“ so Klaus Kaiser. „Daran arbeiten wir auch noch.“ Denn die Anlage wird in Eigenregie immer wieder optimiert und umgebaut.
Und wie spart man damin nun CO² ? Auch darauf hat Reiner Dick eine Antwort: „Alle Lebewesen sind kohlenstoffbasiert. Wird z. B. das Holz eines Baumes verbrannt oder es verrottet, findet eine Oxidation statt, bei der sich der Kohlenstoff mit dem Sauerstoff der Luft zu CO² verbindet. Diese freiwerdende Menge an CO² entspricht der Menge CO², die der Baum im Laufe seines Lebens aufgenommen hat. Bei unserem Prozess findet eine Hitzebehandlung des Holzes unter völligem Sauerstoffausschluss statt. Eine Oxidation und damit die Bildung von CO² kann nicht stattfinden. Übrig bleibt reiner C, also Kohlenstoff.“
Und wie wirkt die Pflanzenkohle? Ein einzelnes Gramm Pflanzenkohle hat eine innere Oberfläche von bis zu 800 qm. Die in der Versuchsanlage gewonnene Kohle verfügt über ca. 300-400 qm innere Oberfläche. Diese Hohlräume speichern Wasser, aber auch Nährstoffe, Säuren, Microorganismen. Genau das macht den Wert der Pflanzenkohle aus – als Wasserspeicher und als Dünger.
„Wenn man zum Beispiel den Grünschnitt vom Landkreis Karlsruhe vortrocknen lassen würde und pyralisiert (wie der Vorgang korrekt genannt wird) statt zu kompostieren, würde ungeheuer viel CO² eingespart werden. Auch Maisspindeln, Hackschnitzel, Stroh, Getreidepresslinge oder ähnliche organische Materialien können so verkohlt werden. Die Versuchsanlage haben wir aufgebaut, um mit diesem interessanten Thema Erfahrung zu sammeln“ schloss Reiner Dick seine Erläuterungen. {backbutton}
14. Oktober 2023 | Führung durch Bruchsal
Als Auftakt zur Jahreshauptversammlung 2023 nahm Thomas Adam die Teilnehmer mit auf einen Rundgang durch Bruchsal. Dabei begab er sich auf „bekanntes Territorium“, denn Thomas Adam ist Leiter der Abteilung Kultur im Hauptamt der Stadt Bruchsal. „Die mittelalterliche Bischofsstadt: Was bis heute an den alten Stadtkern von Bruchsal erinnert“ lautete das Motto der rund einstündigen Führung, die auch die Ersteigung des 38 Meter hohen Bergfrieds mit seinen über drei Metern dicken Außenmauern beinhaltete. Nach dem rund einstündigen Rundgang trafen die Teilnehmer im Sitzungssaal zur Jahreshauptversammlung ein. {backbutton}
14. Oktober 2023 | Jahreshauptversammlung
Heimatverein Kraichgau unter neuer Führung
Erstmals seit 50 Jahren eine Frau an der Spitze
Überraschend viele Mitglieder waren am Samstag, 14. Oktober, der Einladung zur Jahreshauptversammlung des Heimatvereins Kraichgau in Bruchsal gefolgt. Doch das kam nicht von ungefähr, denn auf dem Programm stand unter anderem ein Wechsel in der Vereinsspitze.
Um den Weg für Neuwahlen frei zu machen, die turnusgemäß erst in zwei Jahren erfolgt wäre, war der gesamte Vorstand mit Beirat und Kassenprüfer von ihren Ämtern zurückgetreten. Alfred Götz aus Sinsheim-Eschelbach erzählte nach der Begrüßung von seiner sechsjährigen Amtszeit als erster Vorsitzender und von der aufwendigen Suche nach einer geeigneten Nachfolge. Schon vor 12 Jahren strebte der langjährige damalige Vorsitzende Bernd Röcker bereits eine Verjüngung des Vorstandes an, was immer wieder scheiterte. Auch 2017, als Alfred Götz dem gesundheitlich angeschlagenen Röcker im Amt nachfolgte, war sein erklärtes Anliegen, den Verein baldmöglichst in jüngere Hände abzugeben. Auch wenn sich Alfred Götz immer als „Übergangsvorsitzenden“ sah, ist die Bilanz während seiner Amtszeit doch beeindruckend: Seit 2018 fanden – trotz zweijähriger Coronapause – 17 Exkursionen und Rundgänge, mehrere Vorträge und Museumsbesuche, viele Treffen der Arbeitskreise und die große 50-Jahr-Feier des Vereins statt. Es erschienen drei Jahrbücher, fünf Sonderveröffentlichungen und die vierteljährlich erscheinende Vereinszeitschrift „Kompaß des Kraichgaus“. Der Bestand in der Kraichgau-Bibliothek ist in erster Linie ihm zu verdanken und sie ist auch eine Herzensangelegenheit für ihn.
Alfred Götz bedankte sich bei seiner Frau Prunella, die ihn nicht nur mit der Kassenführung des Vereins unterstützte, er dankte seinen zwei Stellvertretern und dem Beirat für die geleistete Arbeit und die Unterstützung. „Jetzt liegt es an den Anwesenden, durch die Wahl die Amtsübergabe an ein neues Gremium mit neuen Ideen zu ermöglichen“ schloss der bisherige Vorsitzende seine Rede „und dass er sich freue, das Amt an jüngere und – zum ersten Mal in der 50jährigen Geschichte des Vereins – in weibliche Hände abgeben zu können.“
Einstimmig hatte sich die Vereinsverwaltung in ihrer letzten Sitzung dafür ausgesprochen, Susanne Kaiser-Asoronye (Hemsbach) als Vorsitzende des Vereins vorzuschlagen und die Versammlungsteilnehmer folgten diesem Vorschlag einstimmig. Die 58-jährige, die schon seit 2015 Mitglied im HVK ist, konnte sich aus familären Gründen erst ab 2021 aktiv in den Verein einbringen, zuerst als Beirat, dann ab 2022 als Schriftführerin. Sie zeichnete sich für das neue Logo und das modernere, frische Erscheinungsbild des Vereins verantwortlich. Auch Vereinsarbeit ist ihr nicht fremd, denn das Gründungsmitglied des 1998 entstandenen Freundeskreis Königsbach-Steiner Geschichte leitet diesen seit über 15 Jahren.
Als Stellvertreter wurden Thomas Adam (Karlsruhe) und Anton Machauer (Jöhlingen) gewählt bzw. bestätigt, da der langjährige Stellvertreter Karl-Heinz Glaser sich nicht mehr zur Wahl stellte. Kassier ist künftig Gerard van der Heyden (Daisbach). Der Beirat setzt sich aus Reiner Dick (Stutensee), Wolfgang Ehret (Eppingen), Alfred und Prunella Götz (Sinsheim) und Markus Wieland (Mörtelstein) zusammen. Neu im Beirat ist Thomas Liebscher (Hockenheim). Kassenprüfer sind Ulrich Merz (Eppingen) und Günter Weghenkel (Sinsheim).
Nach ihrer Wahl erläuterte die neue Vorsitzende: „Meine Intension war, dass ich in dem Verein ungeheuer viel Potenzial sehe. Und es liegt an uns, dem Verein neues Leben einzuhauchen und neue, aktive Mitglieder zu gewinnen. Das Interesse von jüngeren Menschen geht wieder zurück zur Heimat. Je unsicherer die Zeiten sind – und das sind sie ohne Zweifel – desto mehr sucht man das Vertraute, die Wurzeln, die Geschichte der Vorfahren." Dann stellte sie das Konzept für eine neue Schriftenreihe vor, das sehr großen Anklang fand und schnell und unkompliziert zu realisieren ist. Ortsführer oder Fachwerkführer, Führer durch einzelne Burgen, Schlösser, Ruinen oder Klöster und Kirchen. Auch Naturthemen oder Radtouren zu geschichtsträchtigen Punkten im Kraichgau sind denkbar. Dazu will sie die Zusammenarbeit mit Heimatvereinen und Kommunen stärken und diese als Partner für die Projekte gewinnen. Erste Gespräche finden schon in Kürze statt.
„Der Heimatverein Kraichgau hat ein großes Manko: Das Gebiet des Kraichgaus ist sehr weitläufig“, schließt die Vorsitzende ihre Rede. „Und gleichzeitig ist die Weitläufigkeit auch unser großer Vorteil, denn uns werden die Themen nie ausgehen.“
Fakten zum Verein:
Aktuell 382 Mitglieder, darunter 27 Vereine und Institute, 38 Gemeinden (u.a. auch das Landratsamt Enzkreis und Rhein-Neckar) und 287 Familien- und Einzelmitglieder. {backbutton}