Auf den Spuren der Waldenser im Kraichgau
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete am 11. Juli 2008
Migrationsforscher Heinz E. Walter referierte über die Integration einer französischen Minderheit
Sinsheim. (ja) Vor über 300 Jahren siedelten das Herzogtum Württemberg und die Märkgraf schart Baden etwa 3000 Andersgläubige aus dem heutigen Frankreich an ihrer Nordgrenze an. Den Spuren dieser so genannten Waldenser ging jetzt der Minderheiten-Forscher Heinz E. Walter (Heidelberg) in einem Vortrag vor dem Heimatverein Kraichgau in Sinsheim nach.
Zehn Waldenser-Weiler gebe es in Württemberg und sechs in Baden. Wie in dem Bildervortrag gezeigt wurde, liegen sie alle mit Ausnahme von Nordhausen (Nordheim) und Neuhengstett (Calw) auf der sogenannten Platte (Perouse, Pinache, Serres) und im Kraichgau (Sengach, Groß- und Kleinvillars, Dürrmenz). Manche Ortsnamen seien schon verschwunden: Fenestrelle für Nordhausen, Bourcet für Neuhengstett, Lucerne („Welschdorf") bei Wurmberg und Murries für Schönenberg. Das waldensische Patois gelte seit 1932 als erloschen.
Die letzten Sprachreste, die zu hören waren, erinnern mehr an Italienisch. Die Waldenser stammen aus den Grafschaften Savoyen und Piemont. Aber nicht nur die Ortsnamen klingen französisch, sondern auch die Familiennamen wie Berrot, Brunet, Conte, Gille (heute Gilly), Jourdan, Talmon usw. Als Grund gab der Forscher an, dass die aus Genf berufenen Pfarrer französisch predigten und die Kirchenbücher auf Französisch führten. Auf mehreren Karten zeigte er die Herkunftsorte in den Südwestalpen: Fenestrella, Luserna, Perosa usw. Der Ortsname Palmbach ginge auf „Le Bahne" in Frankreich zurück.
Als Landwirte haben es die Waldenser, deren Vorfahren sich „die Armen von Lyon nannten", zu bescheidenen Häuschen in ihren Straßendörfern gebracht. Ihre ursprünglichen „Barraques" wurden als Baracken ins Deutsche übernommen. Die auffallende Häufigkeit von französischen Ausdrücken im Kraichgau sei bisher noch nicht erklärt worden. Vermutlich ginge der „Lucerne"-Klee (Welschkorn), sicher der hiesige Kartoffelanbau auf die Waldenser zurück.
In der ersten Generation heiratete man untereinander. Aber schon der Schultheiß von Neubärental (er war samt Gemeinde und Pfarrer aus dem vorderösterreichischen Beuron „abgehauen") heiratete hintereinander zwei Nordhäuserinnen. Die zweite und dritte Generation suchten anderswo Arbeit und Brot. Johann Jakob Astor aus Walldorf wurde einer der reichsten Männer Amerikas; „seine väterlichen Ahnen stammten aus dem Piemont." Heute überwiegen deutsche Namen. Aus Bourgeois wurde Burger, aus Jourdan Jordan usw.
Französisch-reformierte Gemeinden existierten auch in Städten wie Mannheim und in Heidelberg (später nach Frankental übergeben). Wie auch sonst in der Pfalz hätten Hugenotten - die vom französischen König Louis XTV. vertriebenen Kalvinisten - eine neue Heimat gefunden. So seien die Ansiedler von (Welsch)-Neureut und Gochsheim (Augustistadt) Hugenotten gewesen. „Biedersbach bei Langenzell war halb hugenottisch und halb waldensisch. Die Waldenser dort stammten alle aus dem Queyras in Savoyen", stellte Heinz E. Walter fest. Über 200 000 Hugenotten nahm allein der Kurfürst von Brandenburg-Preußen auf. Im Unterschied zu den Waldensern waren sie in der Regel nicht arm und spielten bald eine Rolle im Militär, als Juweliere (Reclam, später Buchhändler), in der Kunst und in der Dichtung.
Als Beispiele wurden weiter hervorgehoben: die verschiedenen Familien namens Lafontaine, de Maiziere, Ardenne, Fontane. Unter den viel Beifall spendenden Zuhörern waren auffallend viele Frauen zu sehen.
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